5. Veränderungsvorschläge

Nach meiner Einschätzung ist es unsinnig, dass man erst einmal davon ausgeht, dass Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene in Bezug auf mögliche sexuelle Missbrauchshandlungen die Unwahrheit sagen.

Wenn man erlebt, wie schwer es den traumatisierten Menschen fällt, überhaupt darüber zu sprechen und wie viele Scham- und Schuldgefühle damit verbunden sind, dann ist es logisch, dass es keinen erkennbaren Sinn (außer bei bösartigen Absichten) macht, derartige Dinge zu erfinden, geschweige denn Kindern dies einzureden und zu implantieren. Wobei ich nach wie vor bezweifle, dass dies überhaupt auf lange Sicht gesehen, möglich ist.

Es gibt ja immer wieder den Vorwurf, dass Mütter in Trennungssituationen ihren Kindern einreden, sie würden vom Vater missbraucht oder dass TherapeutenInnen auf Grund ihrer eigenen Geschichte versuchen würden, Kindern Missbrauch einzureden oder das Kinder das erfinden würden, um jemanden zu bestrafen usw. Nach meiner langjährigen Erfahrung mag das schon mal der Fall sein, aber ich denke, dass es eher die Ausnahme ist.

In der letzten Zeit schreiben die Sachverständigen, wenn sie behaupten, dass der Missbrauch durch Eltern oder Therapeuten eingeredet (implantiert) sei, dass diese unbewußt ihre eigenen Überzeugungen übertragen würden.

Die Sachverständigen schützen sich damit für den Fall, dass Eltern oder Therapeuten rechtlich gegen diese Behauptungen vorgehen könnten. Dabei ist es noch weniger erwiesen, dass unbewusste Implantierungen möglich sind.

Sachverständige, TraumatologenInnen, TherapeutenInnen mit praktischen Erfahrungen, Professionelle mit Wissen über unterschiedliche Traumen sexuellen Missbrauchs sollten in einer Art ausgewählter Kommission die Veränderung der bestehenden Realkennzeichen vorbereiten und durchsetzen.

Anstatt davon auszugehen, dass die Aussagen des Kindes erst einmal unwahr sind bis sich das Gegenteil herausstellt, sollte umgekehrt gedacht werden, dass die Aussagen des Kindes wahr sind, bis man Beweise findet, wenn dies nicht der Fall sein sollte.

Wenn

  • Sachverständige Aussagen des Kindes bewerten dürfen, auch wenn es unter dissoziativen Störungen leidet
  • Symptome mit hinzugezogen werden dürfen ohne gleich zu unterstellen, dass Bezugspersonen für die psychischen Auffälligkeiten ihres Kindes nur eine passende Erklärung suchen
  • Die Gesamtgeschichte und Entwicklung eines Kindes berücksichtigt wird
  • Man therapeutische Prozesse anerkennt und auch Aussagen von TherapeutenInnen für ernst nimmt und denen nicht unterstellt, sie implantieren,

dann könnten sich bei der Begutachtung bezgl. der Glaubwürdigkeit positive Veränderungen ergeben.

ForensikerInnen und TraumatologenInnen sollten verpflichtet werden, eng miteinander zu arbeiten.

Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung und warum ist es nicht möglich, dass ein/e Sachverständige/r eine/n ZeugenIn befragt und ein/e TraumatologeIn hinter der Scheibe per Kopfhörer sich einschalten kann bzw. den Prozess beobachtet und auch dem Kollegen/der Kollegin dann Anregungen geben kann oder möglicherweise auch den Fall übernimmt. Die beiden GutachterInnen, die zusammenarbeiten, sollten jederzeit auch die Möglichkeit haben, Fachwissen von anderen Professionellen abrufen zu können, um z.B. Aussagen bezüglich rituellem, satanistischem Missbrauch oder organisiertem Missbrauch überprüfen zu können.

Es wäre gut, wenn die Sachverständigen nicht ausschließlich die Beurteilung in glaubwürdig oder nicht glaubwürdig vornehmen müssten, sondern auch mit Zwischenstufen arbeiten könnten.

  • Stufe 1 – das Kind ist glaubwürdig und der/die Angeklagte kann verurteilt werden.
  • Stufe 2 – es bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit, aber es gibt viele Hinweise, dass es so gewesen sein könnte, aufgrund von Äußerungen, Symptomen und anderen professionellen Beobachtungen und Einschätzungen. Der/die TäterIn wird nicht verurteilt. Hier könnten Familiengerichte und Versorgungsämter profitieren und Erkenntnisse übernehmen und im Zweifelsfall für das wahrscheinliche Opfer Entscheidungen treffen.
  • Stufe 3 – Es gibt eine Reihe von Verdachtsmomenten, Anlass zur weiteren Behandlung und verpflichtender Unterstützung durch Jugendämter
  • Stufe 4 – Die Aussagen des Kindes sind unglaubwürdig.

Es fehlt mir das Wissen, ob sich dies juristisch verwirklichen lässt.

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